
Warum das Steuerkontrollsystem digitalisieren? Wie kann dies einfach gelingen?
6.02.2022
Steuerliche Prognoserechnung per Knopfdruck!
19.03.2022Das Rechnungswesen im digitalen Wandel
Vor 100 Jahren hätte wohl kaum jemand etwas mit dem Begriff Digitalisierung anfangen, geschweige denn die Vorstellungskraft für einen Wandel wie diesen aufbringen können. Spätestens mit der flächendeckenden Einführung des Internets wurde die Basis für eine digitalisierte Welt, wie wir sie heute kennen, geschaffen.
Die Digitalisierung ist damit eine der bedeutsamsten Entwicklungen der Gegenwart, die unaufhaltsam voranschreitet und ein fixer Bestandteil unserer Zukunft sein wird. Doch sie ist nicht die einzige Herausforderung, die es zu meistern gilt. Die Klima- und Biodiversitätskrise aber auch der Umbruch am Arbeitsmarkt hängen eng mit der digitalen Transformation zusammen.
Digitalisierung und Arbeit
Es gibt kaum eine Branche, die nicht mit der Digitalisierung in Berührung kommt. Zahlreiche Studien zeigen allerdings, einige Berufsgruppen sind stärker betroffen als andere. Körperlich anstrengende und Routinetätigkeiten werden schon heute zunehmend von digitalen Lösungen übernommen.
Diese Entwicklung führt bei vielen Menschen zu Ängsten und Sorgen. Laut einer Studie des Instituts für höhere Forschung aus dem Jahr 2017 sind in Österreich neun Prozent der Beschäftigten von einem hohen Automatisierungsrisiko betroffen. Viele Expert*innen weisen darauf hin, dass bestimmte Berufe zwar verdrängt werden, gleichzeitig, aber neue entstehen. Wie sich die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt auswirkt, ist damit eine Frage der politischen Rahmenbedingungen.
Der politische Rahmen
Laut dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2021 belegt Österreich im EU-Vergleich den zehnten Platz: In Österreich gibt es eine fast flächendeckende Anbindung an das 4G-Netz, 50 Prozent der besiedelten Gebiete sind bereits mit dem 5G-Netz verbunden. Jedoch nutzen erst 9 Prozent der Unternehmen Massendaten (Big Data) und etwa 20 Prozent Cloud Computing Dienste.
„Österreichs Schwachstelle ist die geringe Abdeckung von Festnetzen mit sehr hoher Kapazität (VHCN)“, so der Bericht. Vor allem in ländlichen Gebieten sei die Konnektivität nach wie vor ein Problem.
„KMU machen 99 Prozent aller Unternehmen in der EU aus“, heißt es auf der Homepage des europäischen Parlaments. KMU sind im Vergleich zu größeren Unternehmen agiler, wodurch sich kürzere Reaktionszeiten ergeben und schneller Entscheidungen getroffen werden können. Allerdings verfügen sie häufig nicht über notwendige Ressourcen oder Kompetenzen. Initiativen wie das KMU Digital Förderprogramm sollen kleine und mittlere Unternehmen unterstützen. Bisher haben ungefähr 7.000 Betriebe dieses Angebot angenommen. Auch respACT, das Unternehmensnetzwerk für nachhaltige Entwicklung, arbeitet gerade an einem praxisnahen Leitfaden für KMU, der Ende April erscheinen soll.
Vor allem in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung ist ein passender politischer Rahmen essenziell. DI Fridtjof Sobanski ist bei respACT für die Leitung der Mitgliederentwicklung und Kooperationen zuständig und betont: „Unternehmen sollen keinen wirtschaftlichen Nachteil haben, wenn sie sich gesellschaftsoptimal verhalten. Diesen Zustand kann man nur schaffen, wenn für alle dieselben Rahmenbedingungen gelten, und das ist Aufgabe der Politik.“
Das Ziel: Nachhaltige Entwicklung
Im digitalen Aktionsplan Austria wird eine digitale Verantwortungsgesellschaft als langfristiges Ziel definiert. Verantwortung ist auch gefragt, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Laut Fridtjof Sobanski kann die Digitalisierung vor allem über den Weg der Ressourcen- und Energieeffizienz einen großen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, sowohl in Unternehmen als auch in Ländern, leisten. Durch die gesammelten Daten ist es möglich, den Status quo eines Unternehmens abzubilden und Ziele abzuleiten, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.
Schon heute trägt die Informationstechnik bis zu vier Prozent zu den globalen Treibhausgas Emissionen bei. Obwohl durch die Digitalisierung Einsparungspotentiale leichter erkannt werden können, besteht die Gefahr eines Rebound Effekts. Damit ist gemeint, dass Energieeinsparungen durch Effizienzsteigerung, beispielsweise durch ein verändertes Nutzerverhalten, nicht eintreten. Ein simples Beispiel dafür ist die Energiesparlampe. Energiesparlampen verbrauchen im Vergleich zu herkömmlichen Glühbirnen weniger Energie, was dazu führen kann, dass man sie länger in Betrieb nimmt.
Laut dem Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften besteht zweifellos ein Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit: „Der mit der Digitalisierung einhergehende E-Commerce, der vor allem auch KMU betrifft, beeinflusst wesentliche Kriterien der Nachhaltigkeit wie eine lokale Produktion, kurze Wege, Verpackungsaspekte, und damit die CO2-Bilanz tendenziell nicht positiv. Mit der Wahl der Lieferanten, der Produktgestaltung, der Produktionsprozesse und des Transports, können diese Effekte aber gesteuert werden. Ein Vorteil ist, dass sich durch die Digitalisierung Produktionsschritte transparent nachverfolgen lassen und auch das Homeoffice kann auf ökologischer Ebene positive Effekte erzielen.“
KMU und die Digitalisierung
„Trotz einer hohen Bereitschaft digitale Lösungen umzusetzen, gibt es gerade in KMU drei große Hürden, die diese Bemühungen ausbremsen: Eine fehlende Gesamtstrategie, notwendiges Budget und Fachkräfte“, erklärt Alexander Krug. Er ist Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Mittelstand-Digital-Zentrum Berlin, der zentralen Anlaufstelle für kleine und mittlere Unternehmen bei Fragen zur Digitalisierung.
Dr. Martin Setnicka ist Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens „S!MART THINKING“ und Programmleiter an der FH Campus Wien im Bereich Digitalisierung im Steuer- und Rechnungswesen. Für ihn ist klar, dass die Digitalisierung Teil der Unternehmensstrategie sein muss: „Im Zuge der digitalen Transformation ändern sich nicht nur ganze Prozesslandschaften innerhalb einer Organisation, sondern es entstehen auch neue Organisationsformen und bestehende Rollenmodelle ändern sich nachhaltig. Für die Führungskraft wird es essenziell sein, sich entsprechende Leadership-Kompetenzen für eine erfolgreiche digitale Transformation anzueignen. Denn auch das Führen im digitalen Zeitalter benötigt moderne Ansätze.“
Um die Digitalisierung zu meistern empfiehlt Alexander Krug den Unternehmen, langfristig zu denken und eine bedarfsgerechte ganzheitliche Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten. „Im ersten Schritt sollte dafür immer der Ist-Zustand analysiert werden, aus dem heraus die geeigneten Systemlösungen abgeleitet werden können. Nur so lassen sich schon im Vorfeld Fehler und spätere, kostenintensive Optimierungen vermeiden. Gerade zu Beginn heißt es step by step. Eine entscheidende Rolle spielt auch das Mindset von Unternehmensleitungen und deren Beschäftigten: Alle Mitarbeiter*innen sollten in den Transformationsprozess eingebunden werden, denn digitale Lösungen funktionieren nur, wenn sie auch akzeptiert werden.“
Chancen und Potentiale für KMU
Die Chancen, die mit der Digitalisierung einhergehen sind vielfältig. Astrid Schöggl ist Referentin für Digitales bei der Arbeiterkammer Wien und überzeugt, dass Verbesserungen hinsichtlich Arbeitssicherheit und -Qualität durch die Digitalisierung ermöglicht werden können. Außerdem werden Menschen bei Routineaufgaben entlastet und Effizienzsteigerungen realisiert. Katrin Schriefer ist Pressesprecherin im Ministerium für Digitalisierung und erläutert: „Der digitale Wandel verändert die Zusammenarbeit und Kommunikation mit Lieferant*innen und Kund*innen positiv. Neue Vermarktungskanäle ermöglichen eine leichtere Zusammenarbeit und intensivere Kundenbeziehungen.“

Durch das geplante Lieferkettengesetz und die EU Taxonomy werden mehr Unternehmen dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen und nicht-finanzielle Kennzahlen zu erfassen. Auch wenn KMU davon nicht direkt betroffen sind, lohnt es sich, Ressourcenströme genauer zu betrachten. „Neben Einsparungen bei Kosten und Ressourcen, ergibt sich ein Wettbewerbsvorteil für KMU, die nicht-finanzielle Kennzahlen erheben, wenn sie ihre Dienstleistungen oder Produkte an größere Unternehmen verkaufen. Denn große Unternehmen brauchen Zulieferer, die Kennzahlen liefern können. Außerdem hat man auch einen Vorteil im Wettbewerb um Talente, da immer mehr junge Menschen auf Nachhaltigkeitsaspekte achten“, so Fridtjof Sobanski.
Risiken und Nebenwirkungen der Digitalisierung
Neben dem Kerngeschäft, müssen KMU durch die Digitalisierung noch weitere Hürden zu meistern. Die vermehrte Nutzung digitaler Technologien birgt vor allem Risiken in Bezug auf die IT- und Datensicherheit. So stellen Phishing und Malware, also das Beschaffen von Passwörtern durch gefälschte Mail Adressen oder Websites und Schadsoftware, die häufigsten Angriffsarten auf Unternehmen dar.
Die Arbeiterkammer sieht vor allem eine Gefahr in der Digitalisierung, wenn sie genutzt wird, um mehr Druck, Kontrolle oder gar Überwachung auf Arbeitnehmer*innen auszuüben. Außerdem komme es immer wieder zu algorithmischer Diskriminierung, sodass von Sexismus oder Rassismus betroffene Personen weniger wahrscheinlich für Rekrutierungen oder Beförderungen vorgeschlagen wurden. Neben rechtlichem Schutz brauche es einen verantwortungsvollen Umgang von Seiten der Arbeitgeber*innen.
Auf individueller Ebene gilt es vor allem zu beachten, dass es keine Einbußen der Privatsphäre gibt, und eine Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit, vor allem im Homeoffice, möglich ist.
Das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften betont des Weiteren: „Die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat auch die Politik längst erreicht: Wahlkämpfe, aber auch politische Diskurse werden auch im Internet, insbesondere über die Sozialen Medien geführt. Einerseits wird dadurch der Zugang zu Informationen erleichtert. Andererseits haben Fake News, Lügen, aber auch gezielte Botschaften, die durch Automaten im Dienste wahlkämpfender Gruppen oder auch ausländischer Akteure verbreitet werden, nachweisbar Wahlen und Abstimmungen massiv beeinflusst. Das demokratische System ist somit durch die Digitalisierung unter großen Druck geraten.“
Das Rechnungswesen im digitalen Wandel
Das Rechnungswesen ist von der Digitalisierung besonders betroffen. Laut einer Publikation von KPMG sind heute bereits 90 Prozent der Aufgaben in der Finanzbuchhaltung automatisierbar. Die automatisierte Daten- und Belegerfassung ist damit schon in vielen Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil. Laut Dr. Martin Setnicka entstehen dadurch wesentliche Vorteile: „Die Implementierung einer digitalen und automatisierten Buchhaltung bedeutet einen enormen Abbau an administrativem Aufwand und schafft so mehr Freiräume für fachlich herausfordernde Themenstellungen, aber auch die Möglichkeit das Dienstleistungsportfolio zu erweitern, die Zusammenarbeit mit Kunden zu forcieren und die Beratungsleistungen zu adaptieren.“
Trotzdem brauche es weiterhin kompetente Mitarbeiter*innen aus dem Rechnungswesen. Margit Langerwisch ist bei „bg&p“ unter anderem Expertin für die Optimierung und Effizienzsteigerung durch die Digitalisierung des Rechnungswesens in Unternehmen. Sie ist sicher, dass die Digitalisierung eine Chance zur Kompetenzerweiterung bietet: „Dazu zählen Aufgaben wie Planung, Budgetierung und Controlling als Basis einer modernen und flexiblen Unternehmenssteuerung. Mit Blick auf die derzeitigen Entwicklungen bin ich überzeugt, dass sich in der Buchhaltung zunehmend zwei Karrierewege herausbilden: Auf der einen Seite gibt es Fachexpert*innen. Diese beschäftigen sich mit Detailfragen und übernehmen Tätigkeiten in den eben aufgeführten Bereichen. Andererseits steigt die Nachfrage nach Datenexpert*innen, die eine fehlerfreie Verarbeitung der Automatisierung sicherstellen und sich um Datenschnittstellen kümmern.“
Eine Erhebung des World Economic Forums zeigt, welche vier Kernkompetenzen in Zukunft gefragt sind. Dazu gehören: Problemlösung, Selbstmanagement, Kollaboration und Technikanwendung bzw. Entwicklung. Auf den Faktor Mensch kann man also weiterhin nicht verzichten und Soft Skills wie Empathie, Kreativität und Flexibilität sind und bleiben essenzielle Fähigkeiten. Welche Kompetenzen es im speziellen im Rechnungswesen braucht, erklärt Dr. Martin Setnicka: „Die Verschränkungen zwischen IT und fachlichem Expertenwissen werden nötig, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Klassische Berufsbilder werden sich nachhaltig verändern und neue entstehen - wie jenes des Digital Translators. Translators müssen sowohl in ihrer Branche als auch in ihrem Unternehmen Expert*innen sein, um den Wert von digitalen Technologien im Geschäftskontext effektiv zu erkennen. Sie müssen die wichtigsten Kennzahlen des Unternehmens und deren Auswirkungen auf den Erfolg verstehen. Darüber hinaus ist das Wissen über gängige Anwendungsfälle in ihrem Bereich wichtig.“
Eines steht also fest: Um die Doppelherausforderung Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu meistern, braucht es gezielte politische Gestaltung, die beide Entwicklungen berücksichtigt. Dazu gehört unter anderem ein weiterer Ausbau der Netze und vor allem der erneuerbaren Energien, um den steigenden Energiebedarf decken zu können. Um Ressourcen effizient zu nutzen, bedarf es Bemühungen um mehr Energieeffizienz und eine Kreislaufwirtschaft, zu der die Digitalisierung einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Insbesondere KMU brauchen Unterstützung bei der Digitalisierung. Die befragten Interviewpartner*innen haben Maßnahmen wie die Weitergabe von Know How, eine gute Vernetzung, Best Practice Beispiele und einen passenden politischen Rahmen genannt. Der Staat hat eine wesentliche Verantwortung und ist als Wegbereiter des digitalen Wandels zu begreifen. Einen Beitrag hat das Bundesministerium für Digitalisierung mit der Qualifizierungsoffensive geleistet. Das ist ein Förderformat, um Unternehmen auf dem Weg in die digitale Zukunft zu unterstützen. Auf persönlicher Ebene braucht es weiterhin Offenheit und Akzeptanz für den Wandel und den Willen zur Mitgestaltung. Denn Veränderung wird jene Konstante in unserem Leben bleiben, die uns als Lebewesen immer begleitet und an die es sich stetig anzupassen gilt.

Bitte seid nett zu einander. Wir behalten uns vor Kommentare zu löschen, die gegen unsere Netiquette verstoßen.